Otto Mittmannsgruber / 100 Pictures From The Tokyo Kosupure Project / 2001-2002
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Tokio/Harajuku. Direkt am Ausgang der Yamanote-Linie, der die umliegenden Stadtteile mit Leben versorgt, versammelt sich jeden Sonntag eine einzigartige Szene, die Kosprä. So in etwa sprechen die Japaner dieses Wort aus, das sich von costumeplay ableitet. Es bezeichnet ein Spiel mit wechselnden Identitäten. Das Reservoir an Figuren und Vorbildern für dieses Spektakel ist unüberschaubar: Gestalten aus der Literatur, Helden utopischer Manga-Geschichten, Idole japanischer Kultbands, aber auch “Krankenschwestern” und “Schülerinnen” ziehen Fotografen und Voyeure gleichermassen in ihren Bann. Dort, wo die Passanten den riesigen Torbogen zum Meiji-Schrein passieren, haben Mädchen - als Soldatinnen verkleidet, Posten bezogen; sie machen auf diese Weise auf die politisch heikle Bedeutung dieses Ortes aufmerksam.

Ein Zeichen aus der japanischen Schrift hilft, das Phänomen Kosupure (so wird der Term geschrieben) von einer anderen Seite zu betrachten. MEN bedeutet sowohl Gesicht, Maske, Ehre, als auch Oberfläche. "Weisses Gesicht", oder "weisse Oberfläche (das Gesicht der Geisha oder absolute Leere?), das sind davon abgeleitet die wortwörtlichen Lesungen für "interessant". Die geschminkten Gesichter auf diesem Platz sind Ausdruck des Wunsches vieler Jugendlichen, sich von der uniformierten Masse zu unterscheiden.